Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es
heraus
Peter Thiel
Systemischer Berater und Therapeut / Familientherapeut (DGSF)
E-Mail: info@praxis-fuer-loesungsorientierte-arbeit.de
Internet: http://praxis-fuer-loesungsorientierte-arbeit.de
Die nachfolgenden Anfragen wurden teilweise leicht verändert, um die Anonymität der Anfragenden zu sichern.
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ...
Gesendet: Montag, 19. November 2018 13:21
An: ...
Betreff: Notwendigkeit
Guten Tag,
ich bin mir gar nicht so sicher, ob ich hier an der richtigen Stelle bin. Ich
beschreibe einfach mal meine/unserer Situation - vielleicht können Sie
einschätzen, ob ein Termin nötig wäre?
Seit 3 Jahren bin ich von meinem Expartner getrennt - wir haben eine gemeinsame
6 jährige Tochter - A.... Ich hab seit 3 Jahren einen neuen Partner, mit dem ich
auch eine gemeinsame Tochter (11 Monate) habe. Im September 2017 bin ich mit
meiner 1.Tochter von ...zu ihm gezogen ... .
Unser Alltag gestaltet sich derzeit eher mit Höhen und Tiefen. Er muss aufgrund seiner Selbstständigkeit viel arbeiten, was ich verstehe und ihm ich die Zeit einräume. A... ist aller 2 Wochen von Freitag bis Sonntag bei Ihrem Vater. Das klappt auch gut, er holt sie immer in ... ab. Jedoch weiß ich natürlich nicht, was er Alles so mit Ihr macht, was er erzählt oder Ähnliches. Ich frag sie auch nie aus, wenn sie wieder da ist. Meistens kommt sie wieder und ist zwar gut drauf, aber oft jähzornig und böse gegenüber meinem neuen Partner oder auch mir. Zur Zeit ist es generell so, dass sie sehr frech ist - gibt freche Antworten, Wiederworte und redet oft pampig mit uns. Vom Hören wollen wir gar nicht reden. Auch im Bezug auf ihre kleine Schwester. Sie ist nicht eifersüchtig und kümmert sich auch liebevoll um sie. Aber oft kennt sie nicht die Grenze und wir versuchen Ihr zu erklären, dass sie langsam machen muss und bitte aufhören soll. Das klappt meist nicht und dann ist sie böse, wird wütend und geht beleidigt in Ihr Zimmer. Klar, sie ist 6, wahrscheinlich ein relativ normales Verhalten, aber es bringt mich oft meine Grenzen. Und das führt wiederum auch oft zum Streit mit meinem Partner.
Er redet in letzter Zeit sehr streng und unschön mit ihr - wie ich finde. Wenn ich dann etwas dazu sage, fährt er mich an oder ist dann auch beleidigt. Ich kann ihn teilweise verstehen, weil sie sich wirklich ihm gegenüber oft nicht korrekt verhält, aber oft sage ich ihm auch …“wie es in den Wald hinein schallt…“ aber das will er immer gar nicht hören. Er kümmert sich gut um uns, aber setzt seine Prioritäten oft falsch, was mich sehr ärgert. Oft gibt es leere Versprechen, besonders im Bezug auf Familienzeit oder mal Zeit für mich alleine, er kommt oft nicht zu besagten Uhrzeiten oder gibt nicht Bescheid, sollte er es wirklich mal nicht schaffen (was ich ja teilweise verstehen würde). Bin dadurch viel alleine mit den Kindern.
Übertreibe ich? Ich weiß es nicht so Recht. Ich will ihm oder auch A.....nicht
nur den schwarzen Peter zuschieben, da ich weiß, dass ich auch oft nicht korrekt
reagiere und mich nicht richtig verhalte. Meiner Meinung nach geht es A.....
sehr gut bei uns - sie darf sehr viel, wir ermöglichen Ihr fast Alles, aber ich
bin auch streng und es gibt einfache Regeln, die wichtig sind. Und Grenzen gibt
es definitiv auch. Oft frage ich mich dann, was läuft falsch, dass sie sich so
verhält? Sie kann auch super lieb sein, dass weiß sie, ich und auch mein
Partner, aber derzeit ist es sehr Kräfte zerrend, was den Alltag oft chaotisch
und unruhig werden lässt. Einen Tag ohne Geschrei, Streit oder Diskussionen gibt
es nicht mehr. Ist das Alles normal? Viele Freundinnen berichten Ähnliches über
Ihre Kinder. Oder liegt es vielleicht doch am „Trennungskind-Sein“?
Wie schätzen Sie die Situation ein? Wäre ein Gespräch mit dem Kind ratsam oder
mit der gesamten Familie?
Über eine ehrliche Antwort würde ich mich freuen.
Mit freundlichen Grüßen
...
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ...
Gesendet: Montag, 19. November 2018 14:05
An: ...
Betreff: AW: Notwendigkeit
Sehr geehrte Frau ...,
Danke für Ihre Anfrage.
Da scheint einiges nicht im rechten Lot zu sein oder wie der Volksmund sagt: Da
ist der Wurm drin.
Oder - wie Sie wohl zutreffend zitieren:
Wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es heraus.
Die unschöne Situation nun aber auf die rechte Art zu ändern, ist mitunter nicht
so leicht.
Wenn alles angespannt ist, dann ist ein Kind wie ein Seismograph, das alle
Schwingungen aufzeichnet und dann auf der gleichen Schwingungsfrequenz
antwortet.
Und natürlich hat ein Kind auch seine schlechten Launen,
das gehört nun einmal zum Leben dazu, nur wenn man auf die schlechte Laune des
Kindes mit gleicher Frequenz antwortet, dann schaukelt sich die schlechte Laune
hoch, also genau das Gegenteil von dem was einem eigentlich lieb ist.
Vermutlich geht es im Kern darum, dass die Erwachsenen lernen, das Leben und das
Miteinander gelassener und entspannter zu leben. Dann kann es auch aus dem Wald
so freundlich herausschallen, wie man zuvor hineingerufen hat.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Thiel
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ...
Gesendet: Montag, 19. November 2018 15:11
An: ...
Betreff: Re: Notwendigkeit
Okay. Mitunter weiß ich aber nicht, wie ich/wir das anstellen sollen.
Also sagen Sie, dass es nicht nötig ist, mehr zu unternehmen.
Entspannungstechniken habe ich gelernt in meiner Therapie aufgrund einer Angst-
und Panikstörung.
...
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ...
Gesendet: Donnerstag, 22. November 2018 20:41
An:
Betreff: AW: Notwendigkeit
Sehr geehrte Frau ...,
"Mehr unternehmen" vergrößert das Problem, statt es zu verringern.
Es geht um Gelassenheit und nicht um "mehr unternehmen".
Es geht nicht um Entspannungstechniken, diese helfen - wie der Name schon sagt -
bestenfalls zu entspannen. Es geht um Gelassenheit, also um die Fähigkeit
Spannungen erst gar nicht oder nur in geringem Maße in sich aufzubauen. Das ist eine innere Haltung,
die man entwickeln kann.
Gelassenheit entwickeln, geht nur gelassen, jegliches sich selbst unter Druck
setzen führt nicht zur Gelassenheit. Es geht also darum den Druck zu verringern.
Sei es durch geeignete Veränderungen in seinem Leben, weniger Stress auf Arbeit,
mit dem Partner,etc. pp., sei es durch eine innere Haltung das Leben
gelassener zu sehen.
Der Optimist sagt, das Glas ist halbvoll, der Pessimist sagt, das Glas ist
halbleer.
So ähnliche ist es auch mit der Gelassenheit, man kann das Leben durch die
Angst- und Panikbrille betrachten, oder durch die Brille der Gelassenheit und
schon sieht alles ein klein wenig angenehmer und weniger gefährlich aus.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Thiel