Tod der Oma
Peter Thiel
Systemischer Berater und Therapeut / Familientherapeut (DGSF)
E-Mail: info@praxis-fuer-loesungsorientierte-arbeit.de
Internet: http://praxis-fuer-loesungsorientierte-arbeit.de
Die nachfolgenden Anfragen wurden teilweise leicht verändert, um die Anonymität der Anfragenden zu sichern.
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ...
Gesendet: Donnerstag, 19. Dezember 2024 10:43
An: ...
Betreff: Anfrage Trauerbegleitung für unsere Kinder
Sehr geehrter Herr Thiel,
am 15. Oktober dieses Jahres verstarb für uns unerwartet meine Schwiegermutter.
Uns war bewusst, dass sie krank war, jedoch war die Prognose, wie sie sie uns
schilderte, positiv und wir rechneten fest damit, auch dieses Jahr zu
Weihnachten wieder mit ihr zu feiern.
Leider ging es dann überraschend über Nacht zu Ende. Danach folgte eine sehr
schwere Zeit. Da ein Verschulden des Pflegedienstes bislang nicht ausgeschlossen
werden kann, waren Polizei und Staatsanwaltschaft involviert, eine Sektion wurde
durchgeführt, es dauerte einen ganzen Monat, bis die Beerdigung stattfinden
konnte und wir hatten keine Möglichkeit, die Kinder ihre Oma noch einmal sehen
zu lassen.
Dies machte die Verarbeitung schwer, meine Frau und ich sind selbst noch lange
wieder wirklich stabil. Gerade die Vorweihnachtszeit ist schwer, da wir in
diesen Tagen immer besonders viel zusammen unternommen haben.
Aber vor allem machen uns unsere Kinder Sorgen. Unser Sohn
Max - Name geändert (9) berichtet regelmäßig,
seine Oma noch sehen zu können. Kurz, aus dem Augenwinkel. Manchmal sage sie
auch einige Worte. Es macht ihm keine Angst, eher macht es ihn traurig, weil es
eben immer nur ganz kurz ist und er jedes Mal einen neuen Verlust erlebt.
In den letzten beiden Wochen kommt nun dazu, dass Max mit sich selbst sehr unzufrieden ist. Er sieht alles an sich unzureichend, von seinen Schulleistungen, über sein Sozialverhalten bis hin zu seinem Umgang mit uns und seiner Schwester. Er würde "nur noch Scheiße machen" und "sich deshalb nicht mehr mögen".
Wir versuchen, ihm zu zeigen, wie liebenswert er selbstverständlich ist, und
dass sich daran nichts dadurch ändert, dass es ihm nicht gut geht und er einfach
nicht so kann wie sonst, haben aber nur bedingt das Gefühl, ihm zu helfen.
Unsere Tochter Johanna - Name geändert (7)
lässt den Tod ihrer Oma nur in homöopathischen Dosen an sich heran. Sie kann
immer nur ganz kurz zulassen, sich damit auseinanderzusetzen. Lieber sucht sie
sich Stellvertreter für ihre Trauer und beweint "Wanzi", die an ihrem Fenster
krabbelte und von mir gedankenlos entsorgt wurde. Oder trauert, wenn Figuren in
ihren Hörspielen etwas passiert oder zu passieren droht. Gleichzeitig hat sie
nahezu keinerlei Frustrationstoleranz mehr, was zu ständigen Konflikten führt,
wegen derer wir nun auch schon von der Schule gebeten wurden, uns Hilfe zu
suchen. Johanna sitzt wohl immer wieder weinend unter ihrem Tisch und ist für
die Lehrkräfte kaum zu erreichen, wenn Dinge nicht genau so passieren, wie sie
es sich vorgestellt hat. Auch zu Hause erleben wir dieses Verhalten, können es
aber natürlich besser auffangen als dies in einer Klassensituation möglich ist.
Wir wünschen uns daher eine Trauerbegleitung für unsere Kinder, sind aber auch
für andere Vorschläge offen. Ehrlich gesagt sind wir mit unserem Latein am Ende
und sehen, dass wir alleine nicht mehr weiterkommen.
Mit freundlichen Grüßen,
...