Minderwertigkeitsgefühl
Peter Thiel
Systemischer Berater und Therapeut / Familientherapeut (DGSF)
E-Mail: info@praxis-fuer-loesungsorientierte-arbeit.de
Internet: http://praxis-fuer-loesungsorientierte-arbeit.de
Die nachfolgenden Anfragen wurden teilweise leicht verändert, um die Anonymität der Anfragenden zu sichern.
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ...
Gesendet: Montag, 3. Dezember 2018 11:59
An: ...
Betreff: Anfrage um ein Praktikum für das kommende Praxissemester 2019 der
Sozialen Arbeit
Sehr geehrter Herr Thiel,
mein Name ist ..., studiere derzeit Soziale Arbeit im 3. Semester in ... und bin
auf der Suche nach einer Praktikumsstelle für das kommende Praxissemester.
Ich bin über Recherchen im Internet auf die Familienberatung in ... aufmerksam geworden, da ich mich in meinem Studiengang insbesondere für die Beratung interessiere und möchte mich daher gerne für ein mögliches Praktikum bei Ihnen bewerben.
Wenn Sie Praktikanten in
Ihrer Maßnahme annehmen und ich Ihr Interesse geweckt habe, so würde ich Ihnen
gerne meine Bewerbung senden.
Mit freundlichen Grüßen
...
-----Ursprüngliche
Nachricht-----
Von: ...
Gesendet: Mittwoch, 26. Dezember 2018 21:02
An: ...
Betreff: AW: Praktikum
Sehr geehrter Herr ...,
ein Praktikum bei uns ist grundsätzlich möglich. Auf Grund des erforderlichen
Aufwandes für eine individuelle und hochwertige Betreuung kostet die Woche
100,00 €.
Es wäre auch ein Praktikum im Stundenmodell möglich, je Stunde würden dann 10,00
€ Kosten entstehen.
Da gute Hochschulen an hochwertigen Praktikumsstellen interessiert sind, können
Sie bei Ihrer Hochschule anfragen, ob diese die Kosten teilweise oder ganz
übernimmt. Sollte dies nicht der Fall sein, ist zu vermuten, dass es sich bei
Ihrer Hochschule nicht um eine sehr gute Hochschule handelt, sondern bestenfalls
um eine durchschnittliche.
...
Mit freundlichen Grüßen
Peter Thiel
-----Ursprüngliche
Nachricht-----
Von: ...
Gesendet: Donnerstag, 27. Dezember 2018 09:34
An: ...
Betreff: Re: AW: Praktikum
Sehr geehrter Herr Thiel,
Ich habe mir Ihr Angebot durchgelesen und bin sprachlos geworden...
Der Grund dafür ist, dass sich die Qualität einer Hochschule nicht an deren
finanziellen Mitteln bemessen lassen kann, sondern an die Inhalte, welche die
Hochschule vermittelt.
Ich habe starke Bedenken, dass eine Hochschule solch ein Praktikum mit diesem
Finanzierungsmodell in Höhe von insgesamt 2600 Euro finanzieren wird, auch wenn
ich tatsächlich zu leistungsstärksten Studierenden meines Studiengangs gehöre.
Dass Studierende für ein Praktikum bezahlen müssen und nicht angemessen für eine
qualitativ hochwertige Arbeit bezahlt werden, halte ich persönlich für äußerst
bedenklich für den sozialen Bereich.
Auch ich möchte ein bestmögliches Praktikum für mich finden, doch aufgrund
dieser moralischen Bedenken schließe ich ein Praktikum bei Ihnen aus.
Mit freundlichen Grüßen
...
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ...
Gesendet: Sonntag, 13. Januar 2019 13:23
An: ...
Betreff: AW: AW: Praktikum
Sehr geehrter Herr ...,
Sprachlosigkeit ist oft ein Zeichen dafür, dass die eigenen Glaubenssätze
massiv in Frage gestellt werden.
So etwa der Glaubenssatz, eine von uns angebotene Leistung würde nichts kosten, im Gegenteil, man würde für deren Nutzung noch Geld bekommen.
Nur hätte ich gedacht, dass das Studim der Sozialarbeit zu der Fähigkeit führt, dem anderen zuzuhören und nicht seine eigene Wertmaßstäbe und Glaubensätze überzustülpen. Dies scheint aber nicht der Fall zu sein, möglicherweise wird an den von fleißigen Steuerzahler/innen finanzierten Hochschulen der Glauben genähert, die anderen wären für das eigene Wohlergehen zuständig und man selber bräuchte nichts adäquates geben. Darauf folgt naturgemäß - so wie offenbar bei Ihnen - Enttäuschung und zur Abwehr von Minderwertigkeitsgefühlen Schuldzuweisung an andere.
So ging es auch der DDR Führung, als sich immer mehr Menschen in den Westen absetzen und Erich Honecker in maßloser Selbstüberschätzung und Ignoranz sagte: "Diesen Menschen weinen wir keine Träne nach". Iich bin übrigens da geblieben und habe mich für Veränderungen engagiert, statt wie andere auf billige Weise zu fliehen, um an den Segen des sozialkapitalistischen Staates namens BRD teilhaben zu dürfen.
Ihre Annahme, dass Sie für ein Praktikum bei uns auch noch Geld erhalten würden, macht mich sprachlos. Wir, die wir unser Geld selbst erwirtschafteten müssen, im Gegensatz zu den aus Steuergeldern bezahlten Professor/innen an Ihrer Hochschule, sollen Sie also noch dafür bezahlen, dass Sie bei uns lernen dürfen. Denn nichts anderes als Lernen bedeutet Praktikum bei uns, wir würden Sie schließlich nicht zum Küche putzen und Botengänge erledigen einsetzen, sondern zur Teilhabe und Teilnahme an unseren beraterischen Alltag. Das sind keine Tätigkeiten, die sie mal eben so als Student allein machen können und uns so nützlich wären.
Ihr Anspruch macht mich ehrlich
gesagt etwas fassungslos und ich habe schon sehr seltsame Ansprüche im meinem
Leben kennengelernt. Womöglich sind Sie in ihrem bisherigen Leben im Hotel Mama
aufgewachsen, fernab von Eigenverantwortung. Es würde mich nicht wundern, wenn
Sie Mitglied der SPD wären, eine Partei, die meint die berufstätige Bevölkerung
ausplündern zu können, um damit die eigene Wählerklientel zu korrumpieren.
Gerne können Sie uns Steuergelder zur Verfügung stellen, so wie Ihre Hochschule
diese ja erhält und ohne diese Transferleistung schließen müsste.
All die hochbezahlten Professoren, die auch von mir mitfinanziert werden,
müssten sich dann einen Job suchen, mit dem sie selber Einkommen generieren,
statt von Transferleistungen anderer Bürger/innen zu leben.
Mitunter heißt es, dass Studenten der sozialen Arbeit keine Ahnung von
betriebswirtschaftlichen Fragen haben, was ich für äußerst bedenklich, wenn
nicht sogar für gesellschaftlich schädlich halte. Die DDR ist an einer solchen
Realitätsferne mit zu Grunde gegangen.
Zusammengefasst, ich bin
erschüttert über Denkweisen wie die von Ihnen zu vernehmen, einem Menschen, der soziale Arbeit
studiert und in Bälde auf die Menschheit losgelassen werden soll. Kein Wunder,
wenn dieses Land am Scheideweg steht, zwischen vormundschaftlichen Staat mit
Wohlfahrsverheißung und Tendenz zum Bankrott und zur Diktatur auf der einen und kreativer,
eigenverantwortlicher und solidarischer Gesellschaft auf der anderen Seite.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Thiel