Hass auf andere Frau
Peter Thiel
Systemischer Berater und Therapeut / Familientherapeut (DGSF)
E-Mail: info@praxis-fuer-loesungsorientierte-arbeit.de
Internet: http://praxis-fuer-loesungsorientierte-arbeit.de
Die nachfolgenden Anfragen wurden teilweise leicht verändert, um die Anonymität der Anfragenden zu sichern.
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ...
Gesendet: Dienstag, 1. Februar 2022 18:04
An: ...
Betreff: Terminwunsch für Eheberatung
Hallo Herr Thiel,
ich schreibe Ihnen mit der Bitte um einen Terminwunsch für eine Paarberatung für
meinen Mann ... und mich.
Wir sind seit 11 Jahren verheiratet, haben 2 Töchter mit 9 und 12 Jahren und
eigentlich dachte ich, bzw. wir beide, dass wir zusammen trotz allen
Herausforderungen glücklich sind.
Die letzten 2 Jahre waren ziemlich belastend für die Familie. Mein Mann hat 2019 eine Krebsdiagnose erhalten (HPV-induziertes, metastasiertes Peniskarzinom).
2019/2020 war geprägt von Krankenhausaufenthalten (2 Operationen, 3 Monate Chemotherapie, Rehaaufenthalt), aber wir haben das gemeinsam wirklich gut hinbekommen.
Mein Mann lässt sich durch Nichts aus der Ruhe bringen, er ist ein Meister darin, Negatives auszublenden. Diese Stärke und Ruhe habe ich immer an ihm bewundert und geliebt, er war immer mein Fels in der der Brandung, aber in dieser schwierigen Situation hätte ich mir oft mehr Emotionen gewünscht.
Er hat - auch der Familie zuliebe - immer versucht stark zu sein. Ein möglicher schlechter Ausgang der Therapie war für ihn gar nie eine Option. Ich hingegen habe mir große Sorgen um ihn und unsere Familie gemacht, sowohl emotional als auch finanzielle was von seiner Seite so massiv kritisiert wurde, dass ich sehr schnell nicht mehr über meine Sorgen gesprochen habe. (Das gilt eigentlich für alle Themen in unserer Beziehung… für ihn werden Probleme erst durch darüber reden zum Problem.)
Mir selbst ging es während seines letzten Chemoblocks körperlich so schlecht, dass ich trotz hochdosierter Schmerzmittel nicht in der Lage war, mich selbständig anzuziehen. Unsere damals 9 jährige hat mir morgens beim Anziehen geholfen. Mein Mann hat das in seiner damals sehr schlechten körperlichen Verfassung nicht verstanden, was ich wiederum auch verstehen konnte, mich trotzdem ziemlich verletzt hat.
Der Krebs ist zum Glück besiegt und der Tumor an der Vorhaut konnte ohne größeren Schaden operativ entfernt werden, aber die Chemo hat irreversible schwere Nervenschäden hinterlassen. Die schlimmste Folge ist eine ausgeprägte und zunehmende Hyperakusis (Geräuschüberempfindlichkeit), was ein Familienleben mit 2 halbwüchsigen Mädchen und mir für ihn fast unerträglich macht. Auch für uns ist diese Situation extrem belastend, da selbst normale gemeinsame Mahlzeiten, normale Gespräche oder schon die Geräusche des ..., Schubladen öffnen, Papierrascheln, Glas abstellen,... für ihn zu laut sind.
Aber wir haben uns akklimatisiert, versuchen Rücksicht zu nehmen, wo es nur
geht und wir haben auch viele schöne Zeiten zusammen.
Im September ist mein Mann zum ersten Mal seit Langen für eine Woche mit dem
Motorrad verreist. Er hat an einer Reise mit einer organisierten Gruppe
teilgenommen und kam völlig verändert nach Hause. Er war entspannt, voller
Energie und ständig auf Achse. Auf dieser Reise hat sich zufällig eine Gruppe
Menschen zusammengefunden, die alle schwere Schicksale zu bewältigen hatten oder
haben und er hat sich zum ersten Mal geöffnet. Ich habe mich wahnsinnig für ihn
gefreut und hatte in der Folge auch für uns als Familie die Hoffnung, dass jetzt
alles wieder besser wird und ein Stück Leichtigkeit zurück kommt. Es ist auch
vieles besser geworden, wir wollten unseren Hochzeitstag im November feiern,
hatten oft Besuch von Freunden, mit den Mädels lief alles super, aber ich war
irgendwie alarmiert. Seine Veränderung war so extrem, dass ich misstrauisch
geworden bin.
Leider musste ich dann am 6. Dezember feststellen, dass mein Mann eine Affaire
mit einer der Teilnehmerinnen der Reise hat. Seine Euphorie hat wohl kein Ende
gefunden und er hat sich verliebt…..
Für mich ist seither nichts mehr, wie es war. Ich schlafe nicht mehr, bin völlig
unberechenbar, ich schaffe es fast nicht, meinen Alltag zu bewältigen, Arbeiten
zu gehen. Ich bin maßlos enttäuscht, nach allem, was wir durchgemacht haben
erntet die Früchte eine völlig Fremde. Für mich fühlte sich unsere Partnerschaft
unzerstörbar an und ich war mir sicher, dass uns „sowas“ niemals passiert.
Wir hatten schon viele gute Gespräche seitdem seine Affäre aufgeflogen ist,
anfangs auch eine viel größere Nähe wie seit Jahren, aber auch sehr viele
destruktive, verletzende Auseinandersetzungen.
Für ihn ist die Sache jetzt beendet und ich soll doch Bitteschön auch wieder
weitermachen wie vorher. Aber das kann ich nicht. Seine kühle, berechnende,
logische Art und meine emotionale kommen zur Zeit überhaupt nicht miteinander
klar. Das, was wir am meisten an dem anderen geschätzt haben, wird uns jetzt zum
Verhängnis. Ich habe leider sehr viele unschöne Dinge zu ihm gesagt, je größer
mein Schmerz, desto schlimmer wurden die Worte.
Wir wollen beide unsere Beziehung, unsere Familie unbedingt retten - eine
Trennung ist eigentlich für uns beide keine Option. Aber im Moment schaffen wir
es nicht, Lösungen zu finden, mit denen wir beide gut leben können.
Insbesondere ich habe große Angst, dass ich diese Bilder nie mehr aus dem Kopf bekomme, dass „Sie“ immer zwischen uns stehen wird, zumal mein Mann sie zwar als Geliebte, aber nicht als Freundin aufgeben möchte. Er wirft mir jetzt vor, dass ich mit meiner abnormale Reaktion auf eine harmlose wenige Wochen dauernde Affäre seine wiedergefundene Lebensfreude und neuen Freunde boykottiere.
Mir ist der Gedanke, sie irgendwann wiederzusehen so zuwider, dass ich
völlig überzogene Hassgefühle entwickle, die mir richtig Angst machen. So habe
ich mich noch nie erlebt….
Wir sind jetzt an einem Punkt angelangt, an dem wir irgendwie nicht
weiterkommen. Ich kann es einfach nicht vergessen, ich fühle mich zutiefst
gedemütigt und gekränkt, kann ihm nichts mehr glauben und bin wahnsinnig
mißtrauisch. Ich weiß, dass ich damit noch viel mehr kaputt mache, aber die
Bilder und dieser Hass auf die andere Frau machen völlig verrückt. Ich habe
keine Ahnung, wie ich jemals darüber hinweg kommen soll, ihm wieder vertrauen
kann.
Nun haben wir die Hoffnung, dass uns vielleicht eine Paarberatung langfristig
helfen kann. Mein Mann würde mir zuliebe mitkommen, für sich selbst sieht er
keine Notwendigkeit., er hat’s angeblich abgehakt….
Wenn Sie eine Chance sehen, dass Sie uns helfen können, dann freue ich mich
sehr, wenn wir zu Ihnen kommen dürfen.
Herzliche Grüße
...