Getrennt Erziehende
Peter Thiel
Systemischer Berater und Therapeut / Familientherapeut (DGSF)
E-Mail: info@praxis-fuer-loesungsorientierte-arbeit.de
Internet: http://praxis-fuer-loesungsorientierte-arbeit.de
Die nachfolgenden Anfragen wurden teilweise leicht verändert, um die Anonymität der Anfragenden zu sichern.
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ...
Gesendet: Montag, 31. August 2020 14:39
An: ...
Betreff: Mediation
Sehr geehrter Herr Thiel,,
ich habe folgendes Anliegen:
Mein Ex-Mann und ich sind seit 2014 getrennt. Wir haben zwei gemeinsame Kinder,
12 und 10 Jahre alt. Ein Sohn ist unter der Woche bei meinem Ex-Mann, der andere
bei mir.
Wir beide haben neue Familien gegründet und leben in glücklichen
Partnerschaften. Herr ... lebt mit seiner neuen Frau, ihren beiden Töchtern, dem
12 Monate alten gemeinsamen Sohn ... und meinem Sohn zusammen in ... .
Grundsätzlich ist uns beiden die Entwicklung unserer Kinder wichtig. Jedoch habe
ich beobachten müssen, dass seitdem das kleine Baby da ist, die Entwicklung
meines Sohnes einen negativen Verlauf genommen hat. Die Kinder dürfen dort nach
der Schule, sofern es in der Schule gute Noten gibt, unbegrenzt an ihren Handys
sein.
Mein Sohn hatte eine App, die das Nutzungsverhalten speichert und ich musste
feststellen, dass er am Tage (auch an Schultagen) durchschnittlich 5 Stunden an
dem Gerät hängt. Ich habe versucht, ihm zu erklären wie schädlich das für ihn
ist und habe auch den Kontakt zu meinem Ex-Mann gesucht. Dieser hat sich der
Problematik leider komplett verschlossen. Statt die Bildschirmzeit zu
minimieren, wurde lediglich die App gelöscht.
Ich habe leider eine Wesensveränderung an meinem Sohn feststellen müssen. Bei mir gibt es nämlich stark begrenzte Bildschirmzeit und die Kinder sollen vorwiegend an der frischen Luft spielen. ... ist sehr lethargisch und erscheint mir auf Entzug zu sein, wenn er bei mir ist. Er weiß sich gar nicht mehr zu beschäftigen und findet alles langweilig und doof. Als ich feststellte, dass er unbegrenzte Bildschirmzeit hat, habe ich einen Fitnesstest mit ihm gemacht und er hat nicht einen Liegestütz geschafft. ... wohnt in ... und hat nach eigenen Angaben dort keine Freunde und keine Möglichkeit seine Nachmittage anders, als am Handy zu verbringen. Er hat auch seitdem leicht zugenommen. Er ist insgesamt ein schlankes Kind, aber er entwickelt etwas Fett am Bauch. Mein Ex-Mann, seinerseits übergewichtig tut das komplett ab und denkt, ich habe nur eine falsche Wahrnehmung.
Ich sehe jedoch eine negative Entwicklung ...s auf allen Ebenen.
Ich möchte auf keinen Fall tatenlos zusehen und habe schon mit dem Gedanken
gespielt, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ... zu beantragen, aber er fühlt
sich in dem Zuhause wohl und ich denke nicht, dass er das möchte, zumal es auch
bei mir nicht so „attraktiv“ für ihn wäre, da es nur eingeschränkten
Medienkonsum gibt.
Meine Überlegung wäre deshalb eine Mediation anzuregen oder die Einschaltung
einer außenstehenden Person, so dass ein Unbeteiligter auf meinem Ex-Mann
einwirkt, um ihm vor Augen zu führen, wie sehr er unserem Kind schadet. Leider
habe ich keinen Zugang zu ihm.
Nun meine Frage, bin ich dafür bei Ihnen an der richtigen Adresse? Und falls
nein, können Sie mir eine Empfehlung geben, was ich tun kann.
Ich bedanke mich im Voraus und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
...
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ...
Gesendet: Donnerstag, 5. September 2019 21:36
An: ...
Betreff:
Hallo Herr Thiel.
Ich bin alleinerziehende Mutter von A (5 Jahre alt). Bei der Trennung war A 2
Jahre alt und wohnt seitdem fest bei mir, hat jedoch regelmässig Umgang mit
seinem Vater. Wir haben uns eigentlich auf 9 Tage bei mir, 5 Tage beim Vater
geeinigt, aber es ist nicht immer ganz leicht, diese Regelung einzuhalten. Ich
wohne mit A in ... , X (der Vater) ist nach ... gezogen. Er arbeitet
freiberuflich als ... und ist viel an den Wochenenden unterwegs, so dass er A
oft nur Montags bis Donnerstags nehmen kann. Momentan sehen sich die beiden
zweimal im Monat, aber dann oft nur für ein paar Tage.
A ist in den letzten Jahren fast immer fröhlich von Mama zu Papa gefahren,
manchmal konnte ich ihm hinterher ein Ungleichgewicht anmerken, was ich immer
auf die unbeständige Lebensweise des Vaters geschoben habe. Eine zeitlang waren
die beiden in AirBnB Wohnungen, dann wieder auf ... des Vaters und dann viel bei
den Grosseltern. Es war immer sehr eindeutig, dass A stärkere Reaktionen gezeigt
hat, wenn er allein mit dem Vater unterwegs war. Waren die beiden bei den
Grosseltern, kam er fröhlich nach Hause und hat sich hier schnell wieder
eingefunden. Jetzt hat der Vater seit einem knappen Jahr eine neue Freundin und
eine neue Wohnung in Berlin, wo A auch sein eigenes Bett hat.
Nun zeigt A starke Reaktionen, wenn er von einem Besuch beim Vater nach Hause
kommt. Er ist wütend, er haut, schlägt, macht absichtlich Sachen kaputt und seit
kurzem versucht er mit allen Mitteln mir weh zu tun. Er wirft mit Dingen nach
mir und ist völlig ausser sich. Gleichzeitig ist er kreuzunglücklich darüber,
denn er ist sonst total lieb und sehr ordentlich. Das geht dann ein paar Tage so
- bis er wieder richtig hier angekommen ist und sein Gleichgewicht wieder
gefunden hat. Früher war es kein Problem, A zum Vater zu bringen - mittlerweile
ist es eine Tortur. "Ich will nicht zu Papa, ich will bei dir bleiben" Er weint,
auch vor seinem Vater, und lässt mich kaum gehen. Ich habe versucht mit ihm
darüber zu sprechen, dass Abschiede nun mal schwerfallen, aber dass sie ja sonst
eine schöne Zeit haben. Aber ich weiss gerade nicht mehr, wie überzeugt ich
davon bin, dass sie eine schöne Zeit haben.
X und ich haben kein gutes Verhältnis und ich könnte es nicht mit ihm
thematisieren und erfragen, ob was vorgefallen ist, weil er mir bei jedem
Gespräch die Trennung vorwirft und ich daher alles, was ist und kommt, jede
Reaktion und alles, allein zu verantworten habe.
Ich möchte A so gerne helfen - vielleicht ist es auch alles ganz normal und ein
Teil der Wut-Phase, aber ich benötige gerade Hilfe, dass einmal zu ordnen und
vor allem wünsche ich mir eine Art von Werkzeug, wie ich A aus seiner blinden
Wut raushelfe - ohne selber ohnmächtig zu werden oder seine Wut abzuwerten. Ich
denke, dass es schon wichtig ist, diese Gefühle rauszulassen. Es muss nur einen
anderen Weg geben, als Zerstörung.
Über ein persönliches, zeitnahes Gespräch wäre ich sehr dankbar.
...
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ...
Gesendet: Freitag, 6. September 2019 12:05
An: '...
Betreff: AW: zeitnahes Gespräch
Sehr geehrte Frau ...,
Danke für Ihre Anfrage.
Eine kurze Anmerkung, wenn ich es recht verstehe, sind Sie und der Vater
getrennt erziehende Eltern, d.h. Sie sind keine alleinerziehende Mutter, denn
das würde ja bedeuten, dass der Vater sich nicht an der Erziehung beteiligt, was
aber offenbar nicht der Fall ist. Dies scheint mir wichtig in Bezug auf mehr
Klarheit im System.
Unklarheit erzeugt Unsicherheit und Angst. Dies wiederum aktiviert wiederum den
Angriffsmodus beim Menschen, der sich in Form von Aggression nach außen oder
innen (Autoaggression) zu entladen versucht.
Doch nun zu Ihrem Anliegen.
...
Mit freundlichen Grüßen
Peter Thiel