Gehemmte Aggression
Peter Thiel
Systemischer Berater und Therapeut / Familientherapeut (DGSF)
E-Mail: info@praxis-fuer-loesungsorientierte-arbeit.de
Internet: http://praxis-fuer-loesungsorientierte-arbeit.de
Die nachfolgenden Anfragen wurden teilweise leicht verändert, um die Anonymität der Anfragenden zu sichern.
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ...
Gesendet: Dienstag, 12. Mai 2020 19:05
An: ...
Betreff: dringend gesucht Mediator für häusliches Problem
Sehr geehrter Herr Thiel,
wir brauchen dringend eine Unterstützung von außen. Mit wir sind gemeint mein
Vater (73 kein Rentertypus nur derzeit in einer Depression sich befindend),
seine jüngste Tochter (19 die meint es sei eine gute Idee aus der väterlichen
Whg. eine Jugend-WG), ich, die große Tochter (50 die vom Vater gerufen wurde und
mitten in festgefahrene Strukturen fällt), die Ehefrau (57 hat sich aus allem
ausgeklinkt, nicht nur wohntechnisch, es ist fraglich ob sie dazu kommen würde).
Mein Vater wies sich im Februar in die Geschlossene Anstalt im Beisein seiner
Familie, zu der ich aus ihrer Sicht nicht gehöre. Ehefrau wohnt allerdings seid
einem Jahr in ... .
Zuvor war ich eine Woche bei meinem Vater, dann verbrachte er eine Woche bei
mir. Ich leben in ... und auf dem Land in der Nähe von ... . Es ging ihm so
schlecht, dass Frau und kleine Tochter nicht weiter wussten und hektisch ihn in
eine Klinik drängten ohne wirklich sich um etwas zu kümmern. Man Vater lag
apathisch da. Eine Ängste konnte ich ihm nehmen, ein Freund von ihm half auch
dabei, wenn es Dinge ging die sich äußerlich regeln ließen. Dann verlagerte sich
die Depression auf andere Themen. Ich musste wieder zurück in mein Leben und
ließ ihn zurück. Als endlich mal seine Frau kam, die sich vehement weigerte zu
kommen und ihm und ihrer Tochter beizustehen krachte es derart, dass er sich auf
die Geschlossene Abteilung einwiesen ließ im Beisein seiner Frau und jüngeren
Tochter. Der 4 Wochen währende Aufenthalt tat ihm nicht gut. Die Ärzte wollten
ihn nicht haben, da sie erkannten, dass er dort falsch ist. Einen regulären
Platz gäbe es nicht, Corona gab noch einen oben drauf...
Zu Ostern konnte ich meinen Vater aus der Geschlossenen Klinik in ... abholen.
Es war nicht der richtige Ort. - Eine Tagesklinik kam nicht in Frage. Das
Problem war sein zu Hause. Er hatte Angst nach Hause zu gehen. Es fühlt sich
fremd an ist besetzt ...
Ich konnte beobachten, dass er mehr wie ein unbequemer Gast in seinem zu Hause
ist. Seine jüngere Tochter lebt mit ihm zusammen, bzw. neben ihm her und
dominiert die Atmosphäre, was sich in alltäglichen Dingen spiegelt. Meine Vater
ist gespalten. Auf der einen Seite will er nicht alleine sein (obwohl ich ihn
nur als jemanden erlebt habe, der gern für sich ist), auf der anderen Seite
erträgt er den Lebensstil der jungen Tochter nicht und ihr ewiges an ihm rum
genörgele. Ihr wurden weder Grenzen gesetzt noch blieben ihr Wünsche unerfüllt.
Ich habe den Eindruck, dass mein Vater Angst vor seiner Tochter hat, Angst vor
ihrem sich beleidigt zurück ziehet. Er scheut jede Art der offenen
Kommunikation, unangenehmes wird bei ihr ausgelassen. Er spricht von sich als
einen schwachen, willenlosen Menschen. Zu dem ist er in meinen Augen gemacht
worden. Seine Ehefrau nahm ihn zu Hause auch nicht ernst. Da spielte es keine
Rolle, dass er bis jetzt die Familie ernährt hat. (Die Ehefrau verdient zum
ersten Mal Geld in ihrem Leben.)
Durch Zufall, ich rief regelmäßig in verschiedenen Kliniken an, erfuhr ich ,
dass in meiner Nähe, in ... ein Bett frei geworden war. Dort befindet sich mein
Vater. Da Corona bedingt die Angebote ausgedünnt sind und er nichts tut hält er
es dort nicht mehr aus. Nun steht die Frage im Raum, dass er entlassen wird und
versucht sich seinem Leben in ... zu stellen. In ... meint hier insbesondere der
Wohnsituation und um genau diese geht es. Seid Ostern ist er dort stationär
aufgenommen. Nur leider fällt vieles aus, so dass er sich in der Untätigkeit
schlecht fühlt.
Meine Rolle in der Familienkonstellation ist undankbar und unglücklich. Ich
wurde weitgehend 19 Jahre aus der Familie ausgeschlossen. Mein Vater sucht nur
dann meine Nähe, wenn es ihm schlecht geht. Ehefrau und Tochter nehmen mich eher
als gegeben hin. Es gibt viele Momente, die eifersüchtiger und verdrängender
Natur sind. Es konnte sich kein gesundes Gleichgewicht zwischen uns entwickeln.
Leider pflegt mein Vater einen ungünstigen Kommunikationsstil, so dass dadurch
sich immer Lager auftun, bewusst oder nicht.
Mein Eindruck ist, dass das Zusammenleben mit seiner jüngsten Tochter meinem
Vater nicht bekommt. - Das habe ich auch offen ausgesprochen. Selbst der Mutter,
die zu mir ein gespaltenes Verhältnis hat, konnte ich es darlegen. Es hielt noch
nicht lange an, denn sie wechselte den Kurs nachdem sie mit ihrer Tochter
gesprochen hatte. Mir scheint das beide Elternteile Angst vor ihr haben. Die
Familienapp, die eine Halbschwester deshalb einrichtete, damit ich sie nicht
mehr direkt kontaktiere, wurde nur einseitig von mir gepflegt und brach
auseinander, als ich meinen Standpunkt verteidigte und vehement dagegen
aussprach, dass ein WG aus der väterlichen Wohnung gemacht wird. Ich halte die
WG für ungesund und auch, dass mein Vater weiter mit seiner 19 jährigen Tochter
zusammen zu lebet, die sich doch schwer tat mit ihrem Vater zu leben, wie ich
sehr gut beobachten konnte und unter ihm und seiner Krankheit litt.
Mit mir wurde und wird nicht kommuniziert. Mein Vater pflegt leider weiter das
einseitige kommunizieren. Er bespricht mit ihr die Dinge, die die Wohnung
betreffen, mit mir das seinen Zustand betreffend.
Mein Vater möchte sich Ende dieser Woche aus ... entlassen lassen. Nur durch
Zufall erfuhr ich, dass seine jüngste Tochter gerade dabei ist die Wohnung zu
renovieren und die Zimmer neu aufzuteilen. Sie renoviert sie mit jenem Kumpel
(sie betont, dass sie keine Liebesbeziehung hat), der dort ein Zimmer bewohnen
soll. Ich hatte ihr zu verstehen gegeben, dass sie ihren und meinen Vater damit
aus der Wohnung verdrängt. Diese Wohnung ist ungeeignet für eine WG. Sie war
schon zu klein, als die Mutter noch dort lebte. Das funktioniert nur, da mein
Vater ins ... flüchtete, das nicht beheizbar ist. Zu Hauses zu ... wird ihm
verboten. … Die Wohnung besteht aus 3 Zimmern wobei 2 eine gute Größe haben, das
andere eher einem halben Zimmer entspricht. - Mein Vater erlebte ich in meiner
Kindheit als empfindlichen Menschen was zB. fremde Gerüche betrifft und auch
einen gewissen Grad an Ordnung. Die Küche in seiner jetzigen Wohnung fand ich
bei meinen Aufenthalten als ungemütlich. Sie ist mehr das Gemeinschaftszimmer
und es fühlt sich trist an, durch den Lebensstil einer jüngeren Tochter, die
naturgemäß andere Bedürfnisse und Prioritäten hat.
Wenn ich meinen Vater diese WE nach ... bringe, kommen wir in eine Wohnung in
der nichts mehr ist wie bisher. - Mein Wunsch war es sie für hin wieder mit ihm
gemeinsam die Wohnung neu zu gestalten. Seine Tochter wollte letztes Jahr in
eine WG ziehen, die Mutter hatte es nicht erlaubt. Finanzielle Gründe wurden
vorgeschoben. Nun hat sich die Tochter die Idee in den Kopf gesetzt eben in der
Wohnung eine WG zu gründen, in der sie aufgewachsen ist, die doch nun allerdings
Lebensmittelpunkt meines Vater sein sollte. - Er weiß nicht wohin und ist hin
und her gerissen uniweiß auch nicht wie er sein Leben in die Hand nehmen soll,
wo ansetzen. - Mit meiner Halbschwester kann ich leider nicht kommunizieren, sie
lehnt mich ab. Vor allem weil ich anderer Meinung bin und meinen Standpunkt
verteidige. Es sieht so aus, als sei ich die Erste in ihrem Leben die sich
erlaubt sich gegen irren Willen und Vorstellungen stellen. Das was ich an
gemeinsamen Leben erlebte, fand ich eher schmerzlich. sie wirkte auf mich in
ihrer Hilflosigkeit auch respektlos uns lieblos meinen Vater gegenüber.
Leider hat mein Vater diese Themen nicht mit den Ärzten der Klinik besprochen.
Mein Mund ist schon fusselig vom auf ihn einreden. - Seine Tochter lässt er
gewähren, weil sie sich freut. - Sie setzt ihren Willen durch. Ich hatte
vorgeschlagen, dass gerade durch die corona bedingte freie Zeit sie diese nutzen
kann sie sich eine Wohnung zu suchen, in der sie ihren Traum von einer WG
umsetzen kann. Im Februar, als ich da war und wir uns einmal länger erlebten,
wurde das Thema WG verschoben, da sie arbeitete. Sie hielt es mit meinem Vater,
der krankheitsbedingt sehr eigen wurde, nicht aus und beklagte sich über ihn. -
Aus diesen Erlebnissen formte sich bei mir die Erkenntnis, dass der Zeitpunkt
überfällig ist die Wohnsituation zu korrigieren. Die Mutter zog ja schon aus,
ihre Tochter bezog ihr Zimmer (das Größte) und ertrug die Anwesenheit des sich
immer unwohler und hilflos fühlenden Vaters nicht. Ich fiel in diese Situation
hinein, da mein Vater mich geholt hatte. - Es ist schwer. Ich klinge dominant,
weil ich die Not sehe. - Über Jahre war ich nicht Teil dieser Gemeinschaft. Mein
Vater suchte bei mir nach Hilfe. Es klingt als sei ich gegen meine Halbschwester
eingestellt. Das bin ich nicht. Mein auf sie eingehen führte ins Leere und
endete in Anlehnung als meine Ansicht nicht ihrer entsprach. Ich sehe meinen
Vater und sehe auch sie und das es für beide eher ungesund ist zusammen zu
leben. Das 3/4 Jahr, in dem sie beide allein lebten spricht dafür. In dieser
Zeit hörte ich nur ab und an Klagen von meinem Vater, wie unordentlich immer
alles sei etc. … das Zusammenleben letztlich gipfelte darin, dass mein Vater
sich in Fantasie stürzte sich umzubringen. Die Hintergründe mögen woanders
liegen, sie wurden jedoch durch einen Alltag befeuert, in dem er jeden Tag
erlebte, dass er im Weg ist bzw. keine respektvolle Rolle spielt. Unordnung ist
dabei auch ein Thema, Unordnung, die umcharmant ist. Auch ich bin keine
Pedantin. Mein Vater muss sich zu Hause frei bewegen und verhalten können! Dazu
gehört es auch am Morgen in Unterwäsche sich Müsli machen zu können. Für ein 19
Jährige ist das allerdings kein so passender Anblick. Wie soll das gehen, wenn
dann noch eine fremde Person dort lebt?
Ich wünsche mir eine neutrale Person mit Kompetenz eben genau für solche
schwierigen Situationen, um zu sortieren und reden zu reden zu können. - Ja,
mein Vater kann selber entscheiden. Nein, er ist im Moment so ambivalent, dass
er alles aus Schwäche zu lässt. Ich glaube an seine Stärke und innere Mitte, an
seine Phönixnatur, die er oft bewiesen hat. Weiß aber auch, dass er sie in
dieser Wohnsituation nicht finden wird. Seine kleine Tochter ist überzeugt
davon, dass er allein nicht lebensfähig ist und plappert nach, was der Vater in
seiner Depression von sich gibt. - Sie ist der Meinung er könne es ausprobieren
in der neu renovierten Wohnung. und tut so als sei alles offen und könne er frei
wählen. Das halte ich für ein Scheingewand. - Woher soll er die Kraft finden
sich gegen eine ihm auferlegte Situation zu währen.
Entschuldigen Sie die vielen Zeilen. Haben Sie überhaupt Zeit?
Mit freundlichen Grüßen
...