Freudlos
Peter Thiel
Systemischer Berater und Therapeut / Familientherapeut (DGSF)
E-Mail: info@praxis-fuer-loesungsorientierte-arbeit.de
Internet: http://praxis-fuer-loesungsorientierte-arbeit.de
Die nachfolgenden Anfragen wurden teilweise leicht verändert, um die Anonymität der Anfragenden zu sichern.
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ...
Gesendet: Freitag, 8. Juli 2022 15:38
An: ...
Betreff: Familientherapie
Lieber Herr Thiel,
mein Mann und ich möchten uns beraten lassen.
Unsere Tochter Tina - Name geändert - 16, war
im Oktober-November 2021 in der Klinik, Sie hat sich geschnitten und hatte
Gedanken an Suizid. Diagnose eventuell Borderline. Sie ist jetzt in ambulanter
Therapie.
Nach Anfangserfolgen, ist die Therapeutin gerade im Urlaub. Tina geht
es wieder schlechter. Wie während Corona, ist sie jetzt in den Schulferien
einsam und sie ist in die alte Passivität zurückgefallen.
Mein Mann oder ich haben drei Therapiestunden bewilligt bekommen von der
Krankenkasse.
Ich weiß nicht, ob wir die bei Tinas Therapeutin
machen müssen? Oder ob dies am meisten Sinn macht? Die Therapeutin ist im Urlaub
bis 5. August. Ich habe das Gefühl, wir brauchen jetzt Unterstützung.
Mein Mann und ich haben uns gestern ausgesprochen. Er ist wütend auf mich, aber
bereit mit mir eine Paartherapie zu versuchen. Ein Streitpunkt ist Alkohol. Mein
Mann funktioniert im Job und in der Familie wunderbar. Er bekommt alles auf die
Reihe und er erledigt sehr viele familiäre Aufgaben. Wie er alles sehr
organisiert nach To do abarbeitet. Absolut vorbildlich: einkaufen, kochen, Autos
reparieren, Schultermine, Nachhilfe für die Kinder, Arzttermine, Musizieren/
Singen mit meiner Tochter etc. Aber er trinkt mehr oder weniger maßvoll so gut
wie jeden Abend. Die Stimmung zwischen mir und ihm ist häufig gereizt. Ich
denke, je nachdem was und wieviel er trinkt ist er streitlustig.
Frauen, beneiden mich um meinen Mann, weil er mir bei der Arbeit alle Freiheiten
lässt. Ich bin seit 10 Jahren Entwicklungshelferin und war vor Corona 1/3 des
Jahres in ... arbeiten. Das heißt, die Bindung der Kinder zum Vater ist eng. Er
erlaubt sehr viel, ich würde strenger sein, aber will nicht widersprechen.
Ich denke, Tina geht es schlecht, weil sie die schlechte Stimmung spürt. Wir
streiten über unwichtiges Zeug. Ist die Wäsche richtig aufgehängt? Muss man
verblühte Dalien wegschmeißen oder nur zurückschneiden und dann blühen sie
nochmal? Streit auf Umwegen. Es geht eigentlich nur darum, Recht zu haben. Wir
legen Wert auf gemeinsame Mahlzeiten, aber die Kinder ergreifen die Flucht. Max
- Name geändert (19) geht feiern bis morgens, raucht Gras. Tina zieht
sich zurück in ihr Zimmer, guckt Videos und ist traurig.
Mein Mann denkt, ich bin das Problem. Ich frage die Kinder zuviel, mache mir
zuviel Sorgen, mache zuviel gute Vorschläge. Die Kinder und mein Mann sind
genervt. Sie übernehmen beide die Position des Vaters. Alle schießen gegen mich.
Ich lache nicht mehr zu Hause. Fühle mich ausgebremst bei vielen Aktivitäten.
Jede gemeinsame Verabredung ist schwierig, weil sie davon abhängt, ob mein Mann
Lust hat. Ich gucke meinen Mann kaum an, er mich auch kaum. Obwohl wir viele
Dinge gemeinsam unternehmen. Seit Corona jeden Tag spazieren gehen etwa. Aber
irgendwie freudlos. Viele Themen müssen ausgeklammert werden. Bei der Arbeit in
... bin ich gut drauf und unternehmungslustig. Und alles ist unkompliziert. Ich
sehe nicht, wie wir aus diesem Kreislauf herausfinden können.
Ich hatte vor einiger zeit mal mit Auszug gedroht. Jetzt sagt mein Mann, er
wolle eine Zeit zur Mutter. Dann könne ich sehen, ob es zwischen mir und den
Kindern besser liefe. Ich glaube nicht, dass es das tut.
Hätten Sie Zeit für eine Beratungsstunde? Danke für Ihren Rückruf.
Herzliche Grüße
...