Depressive Tendenzen
Peter Thiel
Systemischer Berater und Therapeut / Familientherapeut (DGSF)
E-Mail: info@praxis-fuer-loesungsorientierte-arbeit.de
Internet: http://praxis-fuer-loesungsorientierte-arbeit.de
Die nachfolgenden Anfragen wurden teilweise leicht verändert, um die Anonymität der Anfragenden zu sichern.
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ...
Gesendet: Dienstag, 10. September 2024 11:38
An: ...
Betreff: Vorläufige Trennung und depressive Tendenzen - Anfrage zur Hilfe
Hallo,
Mein Name ist Thomas Nießen - Name geändert -
ich möchte mich auf diesem Weg an sie wenden, nachdem ich einen Weg mit Dr. ...
besprochen habe mir schnellstmöglich Hilfe zu holen um mein Leben wieder in den
Griff zu bekommen und ein glücklicher und zufriedener Mensch sein kann.
Ich würde mich über eine kurzfristige Möglichkeit ersten Kontakt aufzunehmen
freuen, im Moment bin ich noch aus genau diesem Grund krankgeschrieben und wäre
damit völlig flexibel.
Vielen Dank im Voraus
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Nießen
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ...
Gesendet: Freitag, 4. August 2023 10:29
An: ...
Betreff: Therapie für Familie/Paar gesucht
Lieber Herr Thiel,
ich weiß nicht, ob ich mit meinem konkreten Anliegen bei Ihnen richtig bin.
Ich lebe mit meinem Mann und unseren gemeinsamen Kindern (4 und 6) seit August
2021 in ... .
In unserer Beziehung/Ehe gab es immer turbulente Phasen und Zeiten, aber aktuell
bewegt sich das Ganze auf einem sehr anstrengenden und zermürbenden Niveau.
Wir stecken in einer Krise fest und bewegen uns unaufhörlich in einer
gefühlsmäßigen Achterbahnfahrt.
Unsere Beziehung startete bereits sehr turbulent, weil wir uns im Urlaub
kennenlernten und eine Fernbeziehung für beide nicht tragbar war. Wir sind
schnell zusammen gezogen, haben auch früh geheiratet und Kinder bekommen.
Mein Mann hatte immer schon einige persönliche Besonderheiten, die mich aber
nicht sonderlich störten bzw. die zu ihm gehörten und in der Beziehung ohne
Kinder kaum nennenswert waren.
Er entschied immer schon gerne, hielt die Zügel in der Hand und war für
Abwechslung zu begeistern. In Konflikten fiel es ihm immer schon schwer, seinen
Anteil am Geschehenen anzuerkennen und sich zu entschuldigen. Das können
allerdings einige Erwachsene nicht :-).
Als unsere Kinder dann die Familie erweiterten, zeigte mein Mann zunehmend mehr
Eigenarten. Er konnte nicht gut damit umgehen, dass sich mein Fokus auf die
Kinder verschob und er in seinen Augen nicht mehr Nummer 1 war. Dazu kamen noch
hormonbedingte sexuelle Probleme bei mir. Er fühlte sich ungeliebt, ungesehen
und missverstanden und grundsätzlich war das meine Schuld bzw. die der Kinder.
Ich hingegen versuche es allen recht zu machen, und stelle somit das Wohl aller
anderen über mein eigenes.
Die Care-Arbeit lastet seither fast ausschließlich auf meinen Schultern, seit
Mäzr 2022 bin ich zu 80% wieder berufstätig und gehe mittlerweile am Stock. Die
Energiereserven sind aufgebraucht, Unterstützung seitens meines Mannes kann ich
immer nur kurzfristig erwarten. Sein Allheilmittel ist, dass ich mir mal Zeit
für mich nehmen soll (also stundenweise) und dann ist alles wieder gut.
Thematisiere ich eine Arbeitsaufteilung der alltäglichen Dinge, treffe ich auf
Unverständnis und überzogene Kritik in meine Richtung. Ich wolle ja nur eine
50-50-Aufteilung oder ähnliches. Einfache Arbeiten wie seine eigene Wäsche
machen, wurden 2 Mal übernommen, vermutlich zur Besänftigung und werden dann
wieder an mich abgeschoben.
Erledigungen seinerseits passieren nur, wenn ich
Druck ausübe oder eine Belohnung winkt.
Letztes Jahr im Sommer habe ich mich so alleine und wertlos gefühlt, dass ich
mit verschiedenen Persönlichkeitsentwicklungsprogrammen wieder mehr Selbstwert
aufgebaut hab. Hierbei ging es maßgeblich darum, sich wieder selbst zu
akzeptieren, sich selbst zu schätzen, Grenzen zu setzen und diese nicht - von
wem auch immer - niedertrampeln zu lassen. Seither ist unsere Beziehung ein
einiziger Kampf, es wird grundsätzlich mit zweierlei Maß gemessen.
Aufgrund einiger Hinweise aus meinem Umfeld habe ich mich verstärkt in letzter
Zeit mit der Thematik Narzissmus beschäftigt und erkenne in vielen typischen
Handlungsmustern meinen Mann wieder. Nun bin ich kein Therapeut und vermag an
der Stelle keine Diagnose stellen. Als nach einer sehr turbulenten Woche zu
Besuch bei meinen Schwiegereltern diese mich gemeinsam anriefen und nun auch die
Vermutung der narzisstischen Wesenszüge nannten und dass ich mir dringend Hilfe
suchen muss, muss ich mir nun eingestehen, dass das, was ich da erlebe, nicht
mehr einem Maß an erträglichen Eigenheiten entspricht.
Wir sprechen hier von einem Menschen, der überaus Ich-bezogen ist, im
Mittelpunkt stehen möchte, meine volle Aufmerksamkeit für sich fordert (immer
dann, wenn es ihm gerade passt). Diese Aufmerksamkeit fehlte nach meiner
Entwicklung in dem Maße, in dem er es braucht. Schon begannen Kontaktgesuche an
andere Frauen. Im ersten Fall hat der Ehemann der Dame mich kontaktiert und mich
aufmerksam gemacht. Da wurde ich eiskalt belogen, im zweiten Fall hatte ich
wieder so ein Gefühl und habe eine entsprechende Konversation auf seinem Handy
gefunden.
Mein Mann findet grundsätzlich für alles eine Ausrede, grundsätzlich sind die
anderen Verursacher einer Situation, niemals er - auch wenn offensichtlich ist,
dass dem nicht so ist. Mittlerweile kommen aggressive Reaktionen dazu, mir
gegenüber, meinem Vater gegenüber (als er eine Aussage getätigt hat, die meinem
Mann nicht passte).
Alle Menschen in seinem Umfeld scheinen nur zweckdienlich zu sein. Bei einem
Fehltritt in seinen Augen, werden Kontakte abgebrochen.
Es fällt ihm schwer, sich zu entschuldigen. Falls er es doch tut, wirkt es
analog zu einem Kleinkind, das gewzungen wird, wie eine Floskel. Habe ich
Schmerzen und empfinde negative Gefühle, kann er mitfühlend reagieren.
Allerdings beschränkt sich das auf Bereiche, die ihn in irgendeiner Weise
beeinflussen.
Aussagen werden verdreht und die Wahrheit wird sich zurecht gebogen, so dass es
in sein Bild passt. Er erzeugt in mir Schuldgefühle, um mich zum Herankriechen
zu zwingen ungeachtet, wer Auslöser war. Er dreht sich die Dinge so, dass er
entweder der Held oder das Opfer ist.
Ich hatte schon immer das Gefühl, dass er mit zweierlei Maß misst, seit einem
guten Jahr ist das dermaßen deutlich. Es gibt noch diverse Beispiele mehr, aber
ich möchte hier den Rahmen nicht sprengen.
Ich konnte all diese Eigenschaften nicht einsortieren. Seit meiner Recherche
wird mir einiges klarer. Solche Tendenzen zeigte bereits meine Mutter, zu der
ich keinen Kontakt mehr habe. Aufgrund meiner Eigenschaften scheine ich für
diese Wesenszüge ein geschaffenes Gegenstück zu sein, denn ich habe da viel mit
mir machen lassen, ohne Gegenwehr.
Ich kann nicht mehr und mir macht Angst, was ich über die Kaltschnäuzigkeit von
waschechten Narzissten lese. Dass diese eben auch Gefühle vortäuschen, um zu
manipulieren.
Ich suche Hilfe, denn dieses Spielchen treibt mich in eine Depression und
Burn-out. Ich muss in jeder Situation aufpassen, was und wie ich es sage, wie
ich mich verhalte. Startet er eine erneute Provokation oder Manipulation
versuche ich schon, ruhig zu bleiben, dem Angriff keinen Boden zu geben, mich
nicht persönlich angegriffen zu fühlen. Es hilft zu wissen, was die Motive
dahinter sein können und dass er vermutlich nicht anders agieren kann. Es kostet
mich mittlerweile so viel Kraft, dass meine Reserven nicht mehr ausreichen...
Natürlich kann ich mir alleine helfen lassen. In den Augen meines Mannes bin ich
das Problem in der Beziehung, ich mit meinen depressiven Tendenzen.
Ich wünsche mir allerdings eine Hilfe für beide Seiten. Wie bekommt man
jemanden, der keine Schuld in seinem Verhalten sieht, der alle anderen für
schuldig hält, zur Einsicht, dass auch er Part des Problems sein könnte, dass
auch er Hilfe braucht? Kein Freund, keiner aus der Familie hat da eine Chance
ohne ein extremes Drama zu produzieren, den Kontaktabbruch zu provozieren oder
aber im Anschluss gedroht zu bekommen, unsere Kinder nicht mehr zu sehen. Er
würde vermutlich "dicht" machen und für alle weiteren Schritte nicht mehr
zugänglich sein. Das habe ich schon oft genug bei irgendwelchen Kleinigkeiten so
erlebt.
Es gibt auch leider keinen Freund, der in seinen Augen auf der richtigen Stufe
steht, um mit ihm zu sprechen. Es gäbe lediglich einen, der für mich da in Frage
käme, aber dieser Mensch ist aus dem Arbeitsumfeld und dahin möchte ich das
Thema nicht tragen.
So habe ich viel drüber nachgedacht und möchte nutzen, dass er mich für
therapiewürdig hält.
Um den Anfang nochmal aufzugreifen: Würden Sie sich in einer gemeinsamen Sitzung
mit diesem Hintergrund einen Blick auf die Beziehung, auf die psychologischen
Besonderheiten von mir und meinem Mann blicken und uns helfen?
Ich bin noch nicht bereit, die Beziehung aufzugeben. Auch im Hinblick auf das,
was dann unsere Kinder an Manipulation erfahren werden.
Aber ich bin aktuell nicht mehr bereit, den Status quo zu halten und so
weiterzumachen.
Ich bedanke mich bei Ihnen für die Zeit, die Sie sich für meine Nachricht und
mein Anliegen nehmen.
Herzliche Grüße
...