Aufmerksamkeit

 

 

 

 

 

Peter Thiel 

Systemischer Berater und Therapeut / Familientherapeut (DGSF)

E-Mail: info@praxis-fuer-loesungsorientierte-arbeit.de

Internet: http://praxis-fuer-loesungsorientierte-arbeit.de

 

Die nachfolgenden Anfragen wurden teilweise leicht verändert, um die Anonymität der Anfragenden zu sichern.

 

 

 



-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ...
Gesendet: Freitag, 4. August 2023 10:29
An: ...
Betreff: Therapie für Familie/Paar gesucht

Lieber Herr Thiel,

ich weiß nicht, ob ich mit meinem konkreten Anliegen bei Ihnen richtig bin.

Ich lebe mit meinem Mann und unseren gemeinsamen Kindern (4 und 6) seit August 2021 in ... .

In unserer Beziehung/Ehe gab es immer turbulente Phasen und Zeiten, aber aktuell bewegt sich das Ganze auf einem sehr anstrengenden und zermürbenden Niveau.

Wir stecken in einer Krise fest und bewegen uns unaufhörlich in einer gefühlsmäßigen Achterbahnfahrt.


Unsere Beziehung startete bereits sehr turbulent, weil wir uns im Urlaub kennenlernten und eine Fernbeziehung für beide nicht tragbar war. Wir sind schnell zusammen gezogen, haben auch früh geheiratet und Kinder bekommen.

Mein Mann hatte immer schon einige persönliche Besonderheiten, die mich aber nicht sonderlich störten bzw. die zu ihm gehörten und in der Beziehung ohne Kinder kaum nennenswert waren.

Er entschied immer schon gerne, hielt die Zügel in der Hand und war für Abwechslung zu begeistern. In Konflikten fiel es ihm immer schon schwer, seinen Anteil am Geschehenen anzuerkennen und sich zu entschuldigen. Das können allerdings einige Erwachsene nicht :-).


Als unsere Kinder dann die Familie erweiterten, zeigte mein Mann zunehmend mehr Eigenarten. Er konnte nicht gut damit umgehen, dass sich mein Fokus auf die Kinder verschob und er in seinen Augen nicht mehr Nummer 1 war. Dazu kamen noch hormonbedingte sexuelle Probleme bei mir. Er fühlte sich ungeliebt, ungesehen und missverstanden und grundsätzlich war das meine Schuld bzw. die der Kinder. Ich hingegen versuche es allen recht zu machen, und stelle somit das Wohl aller anderen über mein eigenes.


Die Care-Arbeit lastet seither fast ausschließlich auf meinen Schultern, seit Mäzr 2022 bin ich zu 80% wieder berufstätig und gehe mittlerweile am Stock. Die Energiereserven sind aufgebraucht, Unterstützung seitens meines Mannes kann ich immer nur kurzfristig erwarten. Sein Allheilmittel ist, dass ich mir mal Zeit für mich nehmen soll (also stundenweise) und dann ist alles wieder gut.

Thematisiere ich eine Arbeitsaufteilung der alltäglichen Dinge, treffe ich auf Unverständnis und überzogene Kritik in meine Richtung. Ich wolle ja nur eine 50-50-Aufteilung oder ähnliches. Einfache Arbeiten wie seine eigene Wäsche machen, wurden 2 Mal übernommen, vermutlich zur Besänftigung und werden dann wieder an mich abgeschoben.

Erledigungen seinerseits passieren nur, wenn ich Druck ausübe oder eine Belohnung winkt.

Letztes Jahr im Sommer habe ich mich so alleine und wertlos gefühlt, dass ich mit verschiedenen Persönlichkeitsentwicklungsprogrammen wieder mehr Selbstwert aufgebaut hab. Hierbei ging es maßgeblich darum, sich wieder selbst zu akzeptieren, sich selbst zu schätzen, Grenzen zu setzen und diese nicht - von wem auch immer - niedertrampeln zu lassen. Seither ist unsere Beziehung ein einiziger Kampf, es wird grundsätzlich mit zweierlei Maß gemessen.


Aufgrund einiger Hinweise aus meinem Umfeld habe ich mich verstärkt in letzter Zeit mit der Thematik Narzissmus beschäftigt und erkenne in vielen typischen Handlungsmustern meinen Mann wieder. Nun bin ich kein Therapeut und vermag an der Stelle keine Diagnose stellen. Als nach einer sehr turbulenten Woche zu Besuch bei meinen Schwiegereltern diese mich gemeinsam anriefen und nun auch die Vermutung der narzisstischen Wesenszüge nannten und dass ich mir dringend Hilfe suchen muss, muss ich mir nun eingestehen, dass das, was ich da erlebe, nicht mehr einem Maß an erträglichen Eigenheiten entspricht.

Wir sprechen hier von einem Menschen, der überaus Ich-bezogen ist, im Mittelpunkt stehen möchte, meine volle Aufmerksamkeit für sich fordert (immer dann, wenn es ihm gerade passt). Diese Aufmerksamkeit fehlte nach meiner Entwicklung in dem Maße, in dem er es braucht. Schon begannen Kontaktgesuche an andere Frauen. Im ersten Fall hat der Ehemann der Dame mich kontaktiert und mich aufmerksam gemacht. Da wurde ich eiskalt belogen, im zweiten Fall hatte ich wieder so ein Gefühl und habe eine entsprechende Konversation auf seinem Handy gefunden.

Mein Mann findet grundsätzlich für alles eine Ausrede, grundsätzlich sind die anderen Verursacher einer Situation, niemals er - auch wenn offensichtlich ist, dass dem nicht so ist. Mittlerweile kommen aggressive Reaktionen dazu, mir gegenüber, meinem Vater gegenüber (als er eine Aussage getätigt hat, die meinem Mann nicht passte).

Alle Menschen in seinem Umfeld scheinen nur zweckdienlich zu sein. Bei einem Fehltritt in seinen Augen, werden Kontakte abgebrochen.

Es fällt ihm schwer, sich zu entschuldigen. Falls er es doch tut, wirkt es analog zu einem Kleinkind, das gewzungen wird, wie eine Floskel. Habe ich Schmerzen und empfinde negative Gefühle, kann er mitfühlend reagieren. Allerdings beschränkt sich das auf Bereiche, die ihn in irgendeiner Weise beeinflussen.

Aussagen werden verdreht und die Wahrheit wird sich zurecht gebogen, so dass es in sein Bild passt. Er erzeugt in mir Schuldgefühle, um mich zum Herankriechen zu zwingen ungeachtet, wer Auslöser war. Er dreht sich die Dinge so, dass er entweder der Held oder das Opfer ist.

Ich hatte schon immer das Gefühl, dass er mit zweierlei Maß misst, seit einem guten Jahr ist das dermaßen deutlich. Es gibt noch diverse Beispiele mehr, aber ich möchte hier den Rahmen nicht sprengen.


Ich konnte all diese Eigenschaften nicht einsortieren. Seit meiner Recherche wird mir einiges klarer. Solche Tendenzen zeigte bereits meine Mutter, zu der ich keinen Kontakt mehr habe. Aufgrund meiner Eigenschaften scheine ich für diese Wesenszüge ein geschaffenes Gegenstück zu sein, denn ich habe da viel mit mir machen lassen, ohne Gegenwehr.


Ich kann nicht mehr und mir macht Angst, was ich über die Kaltschnäuzigkeit von waschechten Narzissten lese. Dass diese eben auch Gefühle vortäuschen, um zu manipulieren.


Ich suche Hilfe, denn dieses Spielchen treibt mich in eine Depression und Burn-out. Ich muss in jeder Situation aufpassen, was und wie ich es sage, wie ich mich verhalte. Startet er eine erneute Provokation oder Manipulation versuche ich schon, ruhig zu bleiben, dem Angriff keinen Boden zu geben, mich nicht persönlich angegriffen zu fühlen. Es hilft zu wissen, was die Motive dahinter sein können und dass er vermutlich nicht anders agieren kann. Es kostet mich mittlerweile so viel Kraft, dass meine Reserven nicht mehr ausreichen...

Natürlich kann ich mir alleine helfen lassen. In den Augen meines Mannes bin ich das Problem in der Beziehung, ich mit meinen depressiven Tendenzen.

Ich wünsche mir allerdings eine Hilfe für beide Seiten. Wie bekommt man jemanden, der keine Schuld in seinem Verhalten sieht, der alle anderen für schuldig hält, zur Einsicht, dass auch er Part des Problems sein könnte, dass auch er Hilfe braucht? Kein Freund, keiner aus der Familie hat da eine Chance ohne ein extremes Drama zu produzieren, den Kontaktabbruch zu provozieren oder aber im Anschluss gedroht zu bekommen, unsere Kinder nicht mehr zu sehen. Er würde vermutlich "dicht" machen und für alle weiteren Schritte nicht mehr zugänglich sein. Das habe ich schon oft genug bei irgendwelchen Kleinigkeiten so erlebt.


Es gibt auch leider keinen Freund, der in seinen Augen auf der richtigen Stufe steht, um mit ihm zu sprechen. Es gäbe lediglich einen, der für mich da in Frage käme, aber dieser Mensch ist aus dem Arbeitsumfeld und dahin möchte ich das Thema nicht tragen.

So habe ich viel drüber nachgedacht und möchte nutzen, dass er mich für therapiewürdig hält.

Um den Anfang nochmal aufzugreifen: Würden Sie sich in einer gemeinsamen Sitzung mit diesem Hintergrund einen Blick auf die Beziehung, auf die psychologischen Besonderheiten von mir und meinem Mann blicken und uns helfen?

Ich bin noch nicht bereit, die Beziehung aufzugeben. Auch im Hinblick auf das, was dann unsere Kinder an Manipulation erfahren werden.

Aber ich bin aktuell nicht mehr bereit, den Status quo zu halten und so weiterzumachen.


Ich bedanke mich bei Ihnen für die Zeit, die Sie sich für meine Nachricht und mein Anliegen nehmen.

Herzliche Grüße

...

 

 

 

 


 



-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ...
Gesendet: Samstag, 4. Januar 2020 21:49
An: ...
Betreff: Anfrage Termin

Sehr geehrte Damen und Herren,

Mein Name ist ... .

Ich bin seit 2 Jahren in einer Beziehung. Einer tollen Beziehung - ich habe die perfekte Frau gefunden.

Es gibt nur ein Problem: Das bin Ich. Ich habe leider öfters kleinere Aussetzer. Zum einen habe ich ein Bedürfnis von Aufmerksamkeit, zum anderen habe ich unregelmäßig kleinere Momente, wo ich meine Stimme erhebe.

Dies sind dann wiederum Streitpunkte in dieser Beziehung.

Ich habe es meiner Freundin versprochen, dieses Problem anzugehen und mir diesbezüglich Hilfe zu suchen, um diese Beziehung und vor allem diese Frau nicht verlieren.
Ich hoffe, Sie können mir helfen.

Bitte machen Sie mir drei Terminvorschläge. Am besten ab 16 Uhr.

Zum ersten Treffen würde ich meine Freundin gerne mitbringen, wenn das Okay für Sie ist.

Ich freue mich über eine positive Antwort.

Mit freundlichen Grüßen

...

 

 

 

 

 

 



-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ...
Gesendet: Donnerstag, 4. Januar 2018 16:38
An: ...
Betreff: Termin

Hallo,
Ich wende mich an Sie, da wir seit ungefähr 1/2 Jahr viele Konflikte mit unserem 9 jährigen Sohn haben... Er ist der jüngste von 4 Kindern (Jungs), die anderen sind 20, 18 und 16 Jahre alt (also ein Nachzügler ;-)), gleiche Eltern, gleiche Schule, keine Umzüge oder grössere traumatische Erlebnisse.
Er sagt immer wieder, dass er sich nicht von uns geliebt fühlt, sagt dass er weiss dass wie ihn los werden wollen und dass wir am besten damit gedient wären, wenn er gar nicht mehr da wäre... Mindestens 1x pro Woche kommt dieses Thema auf den Tisch und nach 1-2 stunden glätten sich die Wogen, er sagt dass er auch nicht weiss, warum er das sagt, und weiss auch nicht, was er oder wir anders machen können...

Ich arbeite selber mit Familien, Kindern und Jugendlichen , mache den "Grundkurs systemische Beratung" bei ..., und diverse andere "pädagogische Fachtage" etc., bin aber jetzt wirklich mit meinem Latein am Ende.

Gute "Kinderpsychologen" kenne ich im Umkreis von ... nicht wirklich, und die Wartezeiten bei ... sind auch einfach lang.

Wäre es möglich ein oder mehrere Beratungsgespräche zu bekommen, gerne auch mit meinem jüngsten, oder auch mit der ganzen Familie?

Im Inneren denke ich nicht, dass sich mein Sohn etwas antun würde, und bis auf die "paar Stunden" pro Woche ist er ein toller Kerl, der Lacht, Freunde hat, Sport macht und auch gut in der Schule zurecht kommt...

Mit freundlichen Grüssen, und hoffe auf baldige Rückmeldung

...








-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ...
Gesendet: Donnerstag, 4. Januar 2018 18:45
An: ...
Betreff: AW: Termin


Sehr geehrte Frau ...,

Danke für Ihre Anfrage.

Man kann das nun tiefenpsychologisch angehen und jahrelang auf Kosten der Beitragszahler in der Psyche Ihres Sohnes rumkramen, was er denn wohl für ein frühkindliches Trauma haben könnte. Irgend was wird sich da sicher finden und wenn nicht, dann hat man eben noch nicht tief genug gekramt und die Therapie muss um drei Jahre verlängert werden. Das kann man dann bis ins hohe Rentenalter machen, so lange nicht die Demenz einsetzt und der nunmehr 90-jährge Senior sich an nichts mehr erinnern kann.


Mir scheint, Ihr Sohn hat hier ein prima funktionierenden Schalter gefunden, um sich in den Mittelpunkt zu rücken.

Warum sollte er diesen Schalter loslassen, dann müsste er sich ein neues "Spiel" ausdenken, um die gewünschte Aufmerksamkeit herzustellen.

Das Leben ist aber kein Ponyhof, auch wenn uns Robert Betz womöglich mitteilen will, es wäre anders und wir könnten jeden Tag das bekommen, was wir uns wünschen.

Ich bin jetzt mal provokativ und schlage vor, dass beim nächsten Mal, wenn bei Ihrem Sohn wieder diese aufmerksamkeitserheischende Welle einsetzt, Sie nicht mit den gewohnten Beschwichtigungsritual antworten, auf das Ihr Sohn bereits konditioniert ist und wartet, sondern mit der sicher authentischen Mitteilung, dass Sie von seinem Verhalten genervt sind.

Dann lassen Sie Ihren Sohn mal in Ruhe darüber nachdenken. womöglich hat das schon eine kurzzeittherapeutische Wirkung

 

HIer zwei nette Geschichte zum Thema Kurzzeittherapie:

"Epictetus berichtet in einem seiner Bücher eine Geschichte, die sich in der Stadt Milet in Kleinasien zugetragen haben soll. Dort hatte sich eine Selbstmordepidemie unter jungen Frauen entwickelt. Diese waren von dem Drang erfüllt, sich zu erhängen, sich zu töten und was immer die Verwandten versuchten dagegen zu tun, alles war erfolglos. Bis auf Anraten eines weisen Mannes der Senat ein Gesetz erließ, wonach die Körper der Mädchen, die sich umgebracht hatten, nackt auf dem Marktplatz getragen werden müssen. Diese Maßnahme beendete die Selbstmordpsychose von einem Moment auf den anderen."


Paul Watzlawick: "Vom vermeintlichen Sinn des Unsinns", Baseler Psychotherapietage 1998, Video

Paul Watzlawick, Vom Sinn des Unsinns, CD, Part 1

http://auditorium-netzwerk.de




"Das Bett
Ein kluger alter Mann lebte in Berlin, er hieß Wladimir Lindenberg und stammte aus Moskau, wo er 1902 geboren worden war. Von adeliger Herkunft, musste er seine Heimat nach der Revolution verlassen. In Bonn studierte er Medizin und Psychologie und wurde Schiffsarzt. 1937 steckte ihn die Gestapo für vier Jahre in ein Straflager. 1944 wurde er ausgebombt und zog von Wilmersdorf nach Berlin-Schulzendorf in ein einfaches Holzhaus, wo er von 1959 bis zu seinem Tode im Jahre 1997 als Neurologe und Psychiater praktizierte. Daneben malte er und schrieb und wurde ein angesehener Mann, seine Liebenswürdigkeit und Bescheidenheit waren legendär. Eine seiner Patientinnen klagte eines Tages, sie könne nicht schlafen. Sie bilde sich ein, ihr verstorbener Mann liege unter ihrem Bett. Man möchte meinen, Lindenberg habe eine Anamnese angefertigt, die Krankenkasse um Kostenübernahme gebeten und eine mehrjährige Therapie eingeleitet. Nichts dergleichen tat er. Vielmehr suchte er mit der Dame ihr Haus auf, nahm eine Säge und sägte dem Bett die Beine ab. Die Dame war geheilt."


Berliner Zeitung, 06.03.2008



Mit freundlichen Grüßen


Peter Thiel



 

 

home