Angela Merkel

 

 

 

 

 

Peter Thiel 

Systemischer Berater und Therapeut / Familientherapeut (DGSF)

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Den nachfolgenden Essay habe ich im Zusammenhang mit einem von mir in einer überregionalen Zeitschrift erschienenen Beitrag verfasst.

 

 

 

 

Angela Merkel

von Peter Thiel, 26.01.2022

Angela Merkel, am 17.07.1954 in Hamburg geboren, war 16 Jahre lang Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. Am 18.12.2021 schied Angela Merkel aus dem Amt der Bundeskanzlerin aus.

2019 starb ihre Mutter im Alter von 90 Jahren und so ist zu vermuten, dass Angela Merkel noch gute 20 Jahre leben wird, womöglich wird sie sogar 100 Jahre alt, wenn sie die Durchhaltekraft und Gelassenheit beibehält, die sie 16 Jahre als Bundeskanzlerin gezeigt hat.

Doch wie geht es nun weiter, wo der tägliche Programm als Bundeskanzlerin nicht mehr zu absolvieren ist, keine Flüge nach Peking und Washington auf dem Programm stehen, bestenfalls eine Autofahrt von Berlin nach Hohenwalde in der Uckermark, wo sie ein Haus ihr eigenen nennt oder zu Ostern ein Flug von Berlin nach Teneriffa auf den Kanarischen Inseln und von dort mit der Fähre auf die Nachbarinsel nach La Gomera, wo Angela Merkel viele Jahre auszuspannen pflegt.

Doch es ist ein Unterschied, ob man als Bundeskanzlerin für 2 Wochen bei leichten Wanderungen auf der Insel des ewigen Frühlings La Gomera entspannt oder ob man nun mit einem Schlag mehr als acht Stunden Arbeitszeit und eine riesen Verantwortung los ist und nun womöglich in die Verlegenheit kommt, was mach ich als Rentnerin mit dem Tag. Jeden Tag wandern, 365 Tage im Jahr, das ist wohl keine Option für die Zukunft, bestenfalls eine verspinnerte Idee von Menschen, die 40 Jahre schwer geackert haben und meinen, ihre Zeit bestehe nun nur noch aus Wandern und am Strand liegen und dann nach vier Wochen Rentnerdasein tot umfallen.

Der Eintritt in eine reguläre Rente, wie ihn die meisten Arbeitnehmer erleben, kommt - im Gegensatz zu einer unerwartete Kündigung - nicht unvorhergesehen, man hat also Zeit, sich Monate oder gar Jahre davor darauf einzurichten und sein Leben entsprechend neu zu planen. Allerdings fällt genau dies vielen Menschen schwer, die 40 Jahre jeden Tag brav zur Arbeit gefahren sind, 8 Stunden dort waren und abends wieder zurück, erschöpft vom Tag. Noch ein Glas Wein oder Bier und einen Krimi im Fernsehen anschauen, mitten im Krimi einschlafen und dann regulär ins Bett, denn früh um 6 Uhr klingelt der Wecker, die Arbeit ruft.

Nun klingelt kein Wecker mehr oder wenn er klingelt, dann drückt man ihn einfach aus und schläft drei Stunden weiter, denn man muss ja nirgend wohin, die Rente wird, pünktlich zum Monatsbeginn, auf das Konto überwiesen und je nach Höhe der Rente richtet man sich sein Leben ein. Wer wenig Rente hat, hat vielleicht einen kleinen Schrebergarten, wo er mit Beginn des Frühlings bis in den Herbst hinein seine Beschäftigung hat.

Angela Merkel hat an ihrem Zweitwohnsitz in Hohenwalde sicher auch einen Garten, nur ob ihr das auf Dauer als Erfüllung ausreicht, ist fraglich. Doch zumindest hat sie ganz sicher keine Geldengpässe, könnte sich also ein Anwesen auf ihrer Wanderinsel La Gomera kaufen, doch auch da stellt sich die Frage, was mache ich mit dem Tag. Immer nur wandern und am Pool sitzen, das wird hier nicht genügen.

Gleichwohl Angela Merkel ist nicht die Frau für Langeweile. Auch wenn sie 16 Jahre als Bundeskanzlerin in einem komfortablen Hamsterrad gelebt hat und nun erste einmal - quasi wie ein Fisch - auf dem Trockenen sitzt, wird ihr nach einigen Wochen schon etwas rechtes einfallen. Anders als bei Joschka Fischer und Gerhard Schröder, die nach ihrer aktiven Politikerlaufbahn ihren Bedeutungsverlust mit allerlei unwichtigen Geschäftigkeiten zu kompensieren suchten, wird Angela Merkel wohl bodenständiger agieren. Dies ist ihrer Herkunft geschuldet, aufgewachsen in einem kirchlich geprägten Elternhaus, da muss man sich nicht täglich beweisen, wie wichtig man noch ist, man vertraut auf Gott und wenn der Herr einem von dieser Welt abberuft, dann soll es wohl so sein.

Doch wie ist es bei Menschen, die nicht so privilegiert wie Angela Merkel in den sogenannten Ruhestand gehen, Also etwa ein Autobauer bei VW oder eine Sekretärin in der Verwaltung bei Siemens. Dann sitzt man womöglich wie im Film „About Schmidt“ zu Hause und nach zwei Wochen fällt einem die Decke auf dem Kopf.

Hier gilt es nun aktiv zu werden und nicht in Depressionen oder Langeweile zu versinken, wie das nicht selten geschieht Es gilt, den Tag mit Sinn zu erfüllen, sei es der eigene Garten, sei es die ehrenamtliche Mitarbeit in der Kirchengemeinde oder in einem Naturschutzverein. Womöglich gibt es Tätigkeiten und Interessen, für die man erst jetzt die notwendige Zeit hat. Ein Englisch-Sprachkurs an der Volkshochschule, eine Bildungsreise im Sommer nach Schweden und zu den Weißen Nächten ins geschichtsträchtige Petersburg. Mal wieder die Mandoline, die seit 20 Jahren unbenutzt in der Abstellkammer liegt, weil es in all den Jahren der Berufstätigkeit und der Kindererziehung schlichtweg an Zeit mangelte, aus der Kammer hervorholen und schauen, ob man noch einige Stücke spielen kann. Und da neben der Gesundheit soziale Kontakte das A und O eines guten Lebens im Rentenalter sind, gilt es auch soziale Kontakte neu zu beleben oder neu zu schaffen. Wer 40 Jahre im Betrieb seinen Mann oder seine Frau gestanden hat, ist oft nicht geübt in der Pflege sozialer Kontakte, man hatte ja seine Arbeitskollegen, die nun aber mit einem Mal alle weit weg sind.
Auch die Paarbeziehung bedarf einer Überholung, denn wer jeden Tag von früh bis spät mit dem anderen im selben Haus sitzt, kann des anderen schnell überdrüssig werden. Und die erwachsenen Kinder wollen auch nicht, dass ihre Eltern jeden zweiten Tag vor der Tür stehen, weil denen gerad nichts besseres einfällt.

So schön wie es sich erst einmal anhört, mit Beginn der Rentenzeit nicht jeden Tag in den Betrieb oder zur Schicht zu müssen, so schwer kann es noch werden, wenn man die neue Freiheit nicht erträgt. Wenn sich dann noch eine ersthafte Erkrankung im Alter oder gar der vorzeitige Tod des Partners einstellt, dann kann dies eine schwere Krise auslösen. Denken wir nur an den Entertainer Harald Juhnke, der seine letzten Lebensjahre im Pflegeheim verbrachte. Anders bei Dieter Hallervorden, der auch im hohen Alter aktiv und geistig beweglich geblieben ist.

Wer schon vor dem Renteneintritt länger erfolgreich als Single gelebt hat, der muss das „Alleinsein“ nicht üben und nicht fürchten, Frauen fällt dies im Regelfall leichter, da sie es oft besser als Männer verstehen, soziale Kontakte zu entwickeln und zu pflegen. So muss dann auch der Tod des Partner nicht das Ende des eigenen Lebens bedeuten, es darf noch einmal durchgestartet werden, die letzen 10 Jahre können so die interessantesten Jahre werden. Das Alter bietet also auch Chancen. Womit wir wieder bei Angela Merkel wären. Nur noch an alte schöne Zeiten denken, wo man noch jung, agil, mächtig und knackig war, bringt keine Lebensfreude. Der Spruch Carpe diem - nutze den Tag, bringt es auf den Punkt. Stehe morgens auf und überlege, was kann der Tag heute gutes bringen und was kann ich tun, damit dies geschieht. Wer nur auf den Lottogewinn wartet, der hat das Leben nicht verstanden.

Und so würde ich mich nicht wundern, wenn sich Angela Merkel, wie schon ihr Vater Horst Kasner im Förderverein des „Kirchleins im Grünen“ in der Nähe von Templin engagiert. Mit ein wenig Glück kann man dann im Sommer bei einem Konzert einen der wenigen Plätze in dem kleinen Kirchlein ergattern, bei dem Angela Merkel zu den 30 glücklichen Konzertgästen spricht und die Konzertreihe in uckermärkischer Bodenständigkeit eröffnet.






 

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